Genua
Strada Nuova
Das Projekt der "strada nuova" (neue Straße) beginnt 1550 mit einem Beschluss des Rates von Genua eine Straße der Noblen anzulegen. Mit der Hausnummer 1 in der heutigen Via Garibaldi, dem Palazzo von Agostino Pallavicino beginnen die Bauarbeiten ab 1555 und zieht sich hin bis zum Palazzo Rosso und Bianco am Ende der Straße, die schon eindeutig barock geprägt sind. Flaniert man heute durch die seit 2006 zum UNESCO Weltkulturerbe gehörende Straße hat man nicht unbedingt den Eindruck etwas ungewohntes zu sehen. Denn die Straße sieht so vertraut und modern aus mit Gebäuden und Fassaden, die man überall in Europa in traditionellen Stadtzentren finden könnte. Freilich die schön gestalteten Fassaden fallen schon auf, die mit Figuren verzierten Portale, die mit Dekor geschmückten Fassaden, die vornehmen Innenhöfe mit Säulengängen und herrlichen Treppenhäusern. Hier und da bekommt man noch mehr zu sehen: stuckverzierte Decken, Gemälde, Kronleuchter. Kein Wunder, die Palazzi beherbergen Banken oder vornehme Wirtschaftsinstitute, Museen oder öffentliche Gebäude wie das Rathaus von Genua im Palazzo Doria Tursi.
Dabei kann man schnell übersehen, dass fast alle Gebäude der Straße aus dem 16. Jahrhundert stammen aus der Zeit der Spät-Reniassance und des Manierismus zwischen 1555 und 1585. Denn den reichen Geld- und Handelsadel der mächtigen Hafenstadt Genua drängt es heraus aus den engen Gassen der gewaltigen Altstadt - ein Labyrinth aus Geschäftshäusern, Palästen und Kirchen, aber auch aus engen Gassen mit den schmutzigen Seiten einer Hafenstadt mit Kriminalität und Prostitution, Diebstahl und zwielichtigen Gestalten. Hier am Rande der Altstadt erwerben sie sich die Gartengrundstücke direkt an der Stadtmauer oder es müssen alte Gebäude dafür weichen. Die engen, verwinkelten und gewundenen Gässchen weichen einer geraden, geometrisch gezogene Straße mit einer wohl geplanten Anlage. Die Straße ist nun so breit, dass man die Pracht auch sieht, die sich links und rechts der Straße befindet. Und sie folgt der neuen Mode der Renaissance, wie man sie in Rom oder Florenz findet. Die vornehmen Familien Genuas bauen um die Wette. Jede Familie will ein noch prächtigeres Gebäude bauen. Das Formempfinden ist dabei ganz neu und anders als in der Altstadt. Die reichen Bürger Genuas erfinden einen neuen Stil: das vornehme Stadthaus mit mehreren Etagen, verschiedenen Eingängen, vornehmen Innenhöfen, höfische Pracht für die wahre Elite der Zeit: die Dorias oder Fieschis, die Grimaldis oder Spinolas - Familien die oft über größere Reichtümer verfügen als Fürsten und mancher König, reich geworden am Überseehandel in der alten und neuen Welt. Genua ist Dreh- und Angelpunkt der Seefahrt, des Handels und vor allem des Geldes.
Und alle machen es ihnen nach. Bürger und Könige in ganz Europa; die einmaligen Vorlagen werden zur Massenware, finden sich bald in jeder großen Stadt, werden im 19. Jahrhundert zur Vorlage des modernen Städtebaus, dienen als Vorlage für königliche Schlösser mit den typischen hängenden Gärten, Grotten und künstlichen Höhlen, wie wir sie in der Strada Nuova finden. Was in Genua noch einmalig war wird nun zum Gemeingut und keiner erkennt mehr den einmaligen Wert dieser Starße: eine Revolution des Geschmacks, eine künstlerische Steilvorlage, ein neues Lebensgefühl einer neuen Zeit, wirklich es etwas anderes als die dunklen Gassen des Mittelalters, die sich gleich neben der Straße finden. Die neuen Paläste, die bald überall in der Stadt gebaut werden, führt der Rat der Stadt in einer Liste der vornehmen Gebäude, die als Herberge der Republik Genua für Könige und Fürsten, Gesandte oder Staatsgäste dienen können. In einzelnen beschrifteten Rollen (sogenannte 'rolli') wird bei einem hohen Besuch das Gebäude wie ein Los gezogen, das den Gastgeber spielen darf. In den besten Zeiten wurden in diesem Verzeichnis 145 Paläste geführt - welche Stadt kann zu der Zeit ähnliches bieten?!